NATIONAL- UND STÄNDERAT
Eine Vertretung von Volk und Kantonen
Das Schweizer Parlament, die Legislative, besteht aus zwei Kammern, die einander gleichgestellt sind und sich doch unterscheiden: Im Nationalrat, der Grossen Kammer, sitzen die Volksvertreterinnen und -vertreter, im Ständerat, der Kleinen Kammer, die Kantonsvertreterinnen und -vertreter. Zusammen bilden die beiden Kammern die Vereinigte Bundesversammlung. Die 246 Parlamentsmitglieder stehen für die unterschiedlichen Sprachgemeinschaften, Parteien, Interessen, Weltanschauungen und Regionen der Schweiz.
Die 200 Nationalrätinnen und Nationalräte repräsentieren die rund acht Millionen Einwohnerinnen und Einwohner der Schweiz – jedes Nationalratsmitglied vertritt also rund 42 000 Personen. Am grössten ist die Zürcher Delegation mit 35 Mitgliedern. Da gemäss Bundesverfassung jeder Kanton Anspruch auf mindestens einen Nationalratssitz hat, entsendet auch Appenzell Innerrhoden mit seinen 16 000 Einwohnerinnen und Einwohnern einen Volksvertreter nach Bern.
Die 46 Mitglieder des Ständerats repräsentieren ihren Kanton bzw. Stand. Es sind je zwei pro Kanton, wobei es auch hier eine Ausnahme gibt: Die Kantone Obwalden, Nidwalden, Basel-Stadt, Basel-Landschaft, Appenzell Ausserrhoden und Appenzell Innerrhoden entsenden als ehemalige Halbkantone nur je einen Vertreter. Die Mitglieder des Ständerats werden in direkter Wahl bestimmt.
National- und Ständerat tagen in der Regel getrennt, gewisse Geschäfte behandeln sie als Vereinigte Bundesversammlung jedoch gemeinsam. Dazu gehören unter anderem die Wahl der Mitglieder des Bundesrats und der Bundesgerichte. Die Bundesversammlung übt damit –
unter Vorbehalt der Rechte von Volk und Ständen – die oberste Gewalt im Bund aus. Das ist eine Schweizer Besonderheit: Im Unterschied zu anderen Ländern wählt in der Schweiz das Parlament die Regierung und das oberste Gericht. Die Entscheide des Parlaments kann kein Gericht überprüfen. Ausserdem kann das Parlament nicht vor Ablauf einer Legislatur aufgelöst werden.
Vereinigte Bundesversammlung
Die Vereinigte Bundesversammlung tagt im Nationalratssaal. Während die Mitglieder des Nationalrats an ihren angestammten Plätzen sitzen, nehmen die Ständerätinnen und Ständeräte an der Rückwand des Saals ihre nach Kanton angeordneten Sitze ein. Die Leitung hat der oder die jeweilige Vorsitzende des Nationalrats inne. Er oder sie wird deshalb als höchster Schweizer oder höchste Schweizerin bezeichnet.
Zweikammersystem
Ein Zweikammersystem ist keine Selbstverständlichkeit – in vielen Ländern gibt es nur eine Parlamentskammer. Wo es zwei Kammern gibt, hat in der Regel die «grosse» Kammer, die meist eine Volksvertretung ist, mehr zu sagen als die «kleine», die oft die Regionen vertritt. In der Schweiz ist das anders: Beide Räte haben dieselben Kompetenzen, sie behandeln dieselben Geschäfte auf dieselbe Art. Das gilt auch für Budgetfragen. Abwechslungsweise berät der eine oder der andere Rat ein Geschäft zuerst. Beide Räte müssen übereinstimmende Beschlüsse fassen, damit diese gültig sind. Auch die einzelnen Mitglieder des Ständerats und des Nationalrats haben dieselben Rechte: Jeder und jede kann Gesetzesentwürfe oder Aufträge an den Bundesrat einreichen.
Wegen der unterschiedlichen politischen Zusammensetzung kommen die Kammern oft nicht zu denselben Entscheidungen. Dabei hat auch die Grösse eines Rats ihren Einfluss: Die 46 Mitglieder des Ständerats können sich zu jedem Geschäft spontan äussern, während für die 200 Mitglieder des Nationalrats eine komplexe Redeordnung gilt, die spontane Voten kaum zulässt. Deshalb ist es im Ständerat einfacher als im Nationalrat, mit guten Argumenten eine Abstimmung zu beeinflussen.
Bis ein Gesetz in beiden Kammern völlig gleichlautend beschlossen ist, vergeht oft einige Zeit. Wenn es aber einmal beschlossen ist und die Hürde eines eventuellen Referendums genommen hat, hat es auch Bestand.
Film «Erklär mir das Parlament»