Interview mit dem Bundesgerichtspräsident
Es gibt keine Demokratie ohne unabhängige Justiz und keine Justiz ohne unabhängige Richterinnen und Richter.
Drei Fragen an den Bundespräsidenten
Ist das Bundesgericht eine Männerdomäne?
Auf keinen Fall! Aktuell sind 16 der 38 Gerichtsmitglieder Frauen. Darauf haben wir allerdings keinen Einfluss, da die Gerichtsmitglieder von der Bundesversammlung gewählt werden. Von den rund 150 Gerichtsschreiberinnen und Gerichtsschreiber sind 49% Frauen, mit ansteigender Tendenz.
Sind Sie als Präsident der Chef des Bundesgerichts?
Nicht im Sinne eines CEO. Als Bundesgerichtspräsident vertrete ich das Bundesgericht gegen aussen, also etwa gegenüber dem Parlament. Ich bin als Präsident auch Mitglied der Verwaltungskommission, welche die Verantwortung für die Gerichtsverwaltung trägt. In vielen Bereichen hat das Gesamtgericht - die Versammlung aller Gerichtsmitglieder - das letzte Wort. Und neben meinem Präsidentenamt bin ich noch ganz ‘normaler’ Richter in meiner Abteilung.
Hat die Belastung des Bundesgerichts zugenommen, streiten sich die Leute heute mehr als früher ?
Die Zahl der Beschwerden steigt tatsächlich stetig an. Die Gründe dafür sind vielfältig; nicht zuletzt dürfte es daran liegen, dass das Leben komplexer geworden ist und sich damit neue rechtliche Fragen stellen, etwa im Zusammenhang mit Social Media. Das Bundesgericht hat zur Bewältigung der grossen Geschäftslast eine interne Reorganisation eingeleitet und diese zum Teil bereits umgesetzt. Wegen des besonders markanten Anstiegs der strafrechtlichen Fälle soll insbesondere eine zweite strafrechtliche Abteilung geschaffen werden.
Der Bundesgerichtspräsident wird vom Parlament für zwei Jahre gewählt. Er vertritt das Bundesgericht gegen aussen.